Das ehemalige Kaufhaus SCHOCKEN Crimmitschau – ein Gebäude mit Historie und Zukunft

Das Kaufhaus Schocken prägte über Jahrzehnte als Dreh- und Angelpunkt für große und kleine Einkäufe das Stadtbild Crimmitschaus. Es war über die Jahre für viele Crimmitschauer Arbeitsstelle und ist noch heute unter den unterschiedlichsten Bezeichnungen, wie »Schocken«, »Zack«, »Merkur«, »Kontakt« oder einfach nur »Kaufhaus« im allgemeinen Gedächtnis der Bewohner Crimmitschaus verankert.

Die Geschichte des Gebäudes als Kauf- und Warenhaus reicht von 1928 bis 1999 und wird nun mit dem Bauprojekt »Revitalisierung des Kaufhauses Schocken« und mit einer anderen Nutzung, als »Wohn- und Geschäftshaus mit öffentlicher Nutzung« fortgeschrieben.

Die Forschung an der Geschichte des Baudenkmals geht parallel dazu weiter.

Als stadtbildprägendes Gebäude Crimmitschaus und einer der drei einzigen in Deutschland erhalten gebliebenen Warenhausneubauten im Stil der klassischen Moderne, soll es zukünftig wieder eine zentrale Rolle im Stadtbild Crimmitschaus einnehmen.

Bild zeigt Kaufhaus Schocken

Quelle: Schocken Archiv, Tel Aviv

1928 – Bau in nur 6 Monaten

Der Antrag Simon Schockens, im Zentrum von Crimmitschau ein Warenhaus zu bauen, wurde am 16.08.1927 vom Bauausschuss Crimmitschaus befürwortet. Ein Teil des ehemaligen Fabrikareals von Claus & Söhne, Ecke Badergasse/Straße Am Mühlgraben, sollte für das Bauvorhaben genutzt werden und wurde zu diesem Zweck über den damaligen Generaldirektor des Warenhauskonzerns, Georg Manasse, erworben. Auf diesem Areal hatte die Crimmitschauer Industrie mit David Friedrich Oehlers ehemaliger Produktionsstätte seinen Ursprung. Das vom Unternehmen Claus & Söhne weiter genutzte Fabrikareal war nach dem Ersten Weltkrieg verfallen und zum Ärgernis für die Stadtväter geworden.

Nach dem Kauf des Areals durch Schocken und dem, bis auf einen hinteren Nebenbau, der später als Lagerhaus genutzt wurde, erfolgten Abriss des alten Fabrikgebäudes, war am 14. Mai 1928 die Grundsteinlegung für das »Kaufhaus Schocken«.

Die Baumaßnahmen dauerten vom Mai bis Oktober 1928. Die Konstruktion und Architektur des Gebäudes wurde vom Baubüro der Schocken-KG Zwickau geplant. Die Anforderungen an die Architektur bestanden darin, von allen Seiten mit Tages-licht beleuchtete, große, moderne Verkaufsräume und an die Raumbedürfnisse des Warenhausbetriebs angepasste Lagerflächen zu schaffen, sowie als Eckgebäude einen wirkungsvollen Akzent im Stadtraum zu setzen.

Am 16.11.1928 schrieb der Crimmitschauer Anzeiger: »Der Neubau ist ein reiner Zweckbau, der ganz auf den Prinzipien, die für ein modernes Kaufhaus maßgebend sind, ausgeführt wurde.«

Am 10. November 1928 wurde das »Kaufhaus Schocken« eröffnet.

Bild zeigt Schocken Kaufhaus am Tag der Eröffnung

Quelle: Stadtarchiv, Crimmitschau

In seiner Eröffnungsrede betonte der Bauherr, dass der Bau alle seine, sowie die  Erwartungen seines Architekten Bernhard Sturtzkopf erfüllte. Simon Schocken sparte nicht mit Lob für die Crimmitschauer Maurer, Eisenbeton-bauer und die vielen anderen Handwerker, die unter der Leitung des Baumeisters und Stadtrats A. L. Thomas am Bau beteiligt waren.

Mit von flachen Dächern abgeschlossenen Gebäudekuben, die von Fenster- und gemauerten Brüstungsbändern gegliedert wurden, hatte der Architekt die von ihm am Bauhaus Dessau mitentwickelte moderne Formensprache als Neuheit nach Crimmitschau gebracht. Modern waren ebenso die tragende Stahlbetonkonstruktion im Inneren sowie der SCHOCKEN – Schriftzug und das vom Architekten Erich Mendelsohn entwickelte Markenzeichen der Schocken-Warenhäuser in der Form eines S.

Schon kurze Zeit nach der Eröffnung wurde an der fensterlosen nordseitigen Giebelfläche ein zweites Treppenhaus angebaut. Mit ihm wurde das Kaufhaus besser erschlossen und zugleich ein zweiter Fluchtweg für Notfälle geschaffen.

Das Kaufhaus im Nationalsozialismus

Mit der Machtübernahme der Nazis verschlechterten sich die Existenzbedingungen der jüdischstämmigen Familie Schocken und ihrer Warenhauskette drastisch. Ab 1933 wurden die Schockenkaufhäuser – wie alle jüdischen Geschäfte in Deutschland – mit Boykottaufrufen belegt. In Crimmitschau lebten zur damaligen Zeit etwa zwanzig Juden.

Das Crimmitschauer Tageblatt verhöhnte die Crimmitschauer Juden mit anti-semitischen Karikaturen, im Postamt wurden Flugblätter mit der Aufschrift »Wer beim Juden kauft, ist ein Volksverräter« ausgelegt.

Simon Schocken versuchte die Zerschlagung des Familienkonzerns durch Strukturveränderungen aufzuhalten, was ihm allerdings nicht gelang. Unter der Führung der »Deutschen Bank« ging die Kaufhauskette im Zuge der Arisierung – unter anderem auch das Kaufhaus Schocken Crimmitschau – widerrechtlich in den Besitz einer Bankengruppe über.

Der Zwangsverkauf erfolgte weit unter dem Wert des Unternehmens. Ab Januar 1939 wurde aus der »Schocken AG« die rein arische »Merkur Aktiengesellschaft« und aus dem »Schocken Kaufhaus« in Crimmitschau das »Merkur«.

Arisiert führte der Betrieb in Crimmitschau auch während der Kriegsjahre seine Geschäfte weiter. 1943 gab es Pläne die sächsischen Kaufhäuser zu schließen und in ihnen Lazarette einzurichten. Dazu kam es allerdings nicht. Stattdessen wurden Mitte/Ende 1944 Unterkünfte für 250 Lehrlinge der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG im 2. und 3. Obergeschoss des Kaufhauses Crimmitschau eingerichtet. Das Kaufhaus überstand den restlichen Krieg unbeschadet. Lediglich ein paar Lagerschuppen im Hinterhof des Komplexes wurden bei einem alliierten Artilleriebeschuss getroffen.

Nachkriegsjahre und DDR

Im Gegensatz zur amerikanischen Besatzungszone, wurden die Kaufhäuser in der sowjetischen Besatzungszone nach Kriegsende nicht an die Schocken-Familie rückübertragen.

Die »Merkur-AG« wurde hier per Volksentscheid vom 30. Juni 1946 enteignet. Das Crimmitschauer Kaufhaus wurde 1948 dem Verband Sächsischer Konsum-genossenschaften angeschlossen.

Bild zeigt Schocken Kaufhaus in der DDR

Quelle: Stadtarchiv, Crimmitschau

Im Einzugsgebiet von Crimmitschau lebten zum damaligen Zeitpunkt, auch wegen der Flüchtlingsströme aus dem Osten, mittlerweile etwa 50.000 Menschen.
Crimmitschau selbst zählte etwa 30.000 Einwohner.

1969 entschloss man sich aufgrund der gestiegenen Anforderungen für einen Erweiterungsbau in der Badergasse. Für mehr Baufreiheit wurde in der Badergasse das Veranstaltungshaus »Odeum« und in der Kirchgasse die ehemalige Reithalle abgerissen. Anfang der siebziger Jahre waren die Arbeiten abgeschlossen und das Kaufhausareal auf fast 7500 qm Fläche angewachsen. Im Hof des Komplexes ist bereits 1968 eine Traglufthalle errichtet worden, in der man Haushaltsgeräte kaufen konnte. In den Folgejahren kam es zu einigen weiteren An- und Umbauten.

Die Pläne, die gesamte Badergasse, einschließlich Herrengasse zu einem über-dachten Einkaufszentrum umzugestalten, wurden aufgrund des Endes der DDR jedoch nicht mehr umgesetzt.

Die Wendejahre nach 1990

Nach der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurde auf der Grundlage des Vermögensgesetzes die Restitution der auf dem Gebiet der ehemaligen DDR vorhandenen einstigen Schocken-Warenhäuser möglich. Die Schocken–Erben erhielten das 1946 enteignete jüdische Eigentum zurück.

Das Kaufhaus in Crimmitschau wurde in immer kleiner werdenden Rahmen unter anderem zunächst als »Zack« weitergeführt.

Am 31.10.1999 schloss das ehemalige Kaufhaus Schocken in Crimmitschau endgültig seine Pforten und verfiel in den folgenden Jahren zu einer unansehnlichen verwaisten Ruine, mitten im Zentrum von Crimmitschau.

Der Revitalisierungszeitraum ab 2018

19 Jahre nach Einstellung des Geschäftsbetriebs im ehemaligen Kaufhausgebäude, am 08.11.2018, präsentierten die Inhaber der PB DIETRICH ARCHITEKTEN INGENIEURE, die von 1998 bis 1999 das ehemalige Kaufhaus SCHOCKEN in Oelsnitz/Erzgeb. - ebenfalls ein STURTZKOPF-Bau & BAUHAUS-Denkmal - erfolgreich saniert um ungebaut hatten und zugleich Mitgesellschafter der KAUFHAUS SCHOCKEN CRIMMITSCHAU GbR sind, dem Crimmitschauer Stadtrat ihre Projektstudie zur Rettung des international bedeutenden Kulturdenkmals „Kaufhaus SCHOCKEN Crimmitschau“.

Bild zeigt zukünftiges Schocken

Quelle: PB DIETRICH ARCHITEKTEN INGENIEURE, Oelsnitz/E

Die Projektidee beruht auf einer Anregung von Herrn André Raphael und nahm richtig Fahrt auf, nachdem er 2017 zum Crimmitschauer Oberbürgermeister gewählt worden war. Unter seiner maßgeblichen Beteiligung und der großen Unterstützung von vor allem Frau Andrea Beres, Fachbereichsleiterin Wirtschaftsförderung, sowie Herrn Götz Müller, Fachbereichsleiter Bau der Stadtverwaltung Crimmitschau, nahm das Projekt immer mehr Gestalt an und konnte am 18.11.2018 dem Stadtrat vorgestellt werden.

Bereits am 30.11.2018 folgte die Große Kreisstadt Crimmitschau dem Projektaufruf 2018/19 zum „Bundesprogramm zur Förderung von Investitionen in nationale Projekte des Städtebaus“ und reichte die zusammen mit dem heutigen Vorhabensträger erarbeitete Projektskizze beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ein, das Projektthema lautete: „Rettung des leer stehenden, schwer geschädigten Denkmals "Kaufhaus SCHOCKEN Crimmitschau" als herausragendes Zeugnis der Architektur im Stil des Bauhauses Dessau und der Bedeutung des jüdischen Warenhausunternehmens SCHOCKEN für die Entstehung einer modernen Warenhauskultur in der Weimarer Republik.“  

Kurz darauf, am 13.12.2018, wurde durch den Stadtrat die Beteiligung der Stadt Crimmitschau am Projektaufruf 2018/19 „Förderung von Investitionen in nationale Projekte des Städtebaus“ mit dem Objekt Kaufhaus Schocken (nach Abgabe der eingereichten Projektskizze) offiziell gebilligt.

Nachdem die am 30.11.2018 eingereichte Projektskizze von Seiten des Bundes angenommen worden war, fand am 03.06.2019 im Rathaus Crimmitschau das in diesem Förderprogramm übliche Koordinierungsgespräch mit Vertretern des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) statt.

Am 16.07.2020 fällte der Stadtrat unter dem Aktenzeichen „C-0128/2020“ den Grundsatzbeschluss zur neuen Stadtbibliothek Crimmitschau sowie zur Gewährung eines Zuschusses und der Weiterleitung von Fördermitteln zur „Revitalisierung des Kaufhauses Schocken“ an die Kaufhaus Schocken Crimmitschau GbR .

Am 06.12.2019 reichte die Große Kreisstadt Crimmitschau das sogenannte Paket 1 des Zuwendungsantrags beim BBSR ein.

Daraufhin erteilte das BBSR am 24.04.2020 den Zuwendungsbescheid für die Maßnahme und damit gleichzeitig den Startschuss, für die Erarbeitung der Bauunterlagen, die im sogenannten 2. Paket zur baufachlichen Stellungnahme beim Sächsischen Staatsministerium für Finanzen (SMF) einzureichen waren.

Am 05.11.2020 beschloss der Stadtrat den Weiterleitungsvertrag an die Kaufhaus Schocken Crimmitschau GbR.
 
Am 11.11.2010 reichte der Vorhabensträger das 2. Paket, bestehend aus mehreren Aktenordnern mit Bauunterlagen, beim SMF in Dresden ein.

Fast geschafft, am 01.03.2021 erließ das BBSR den 1. Änderungsbescheid zum Zuwendungsbescheid vom 24.04.2020 und hob damit dessen bis dahin aufschiebende Wirkung auf.

Am 15.04.2021 beschloss der Stadtrat die Anpassung des Weiterleitungsvertrages zwischen der Großen Kreisstadt Crimmitschau und der Kaufhaus Schocken Crimmitschau GbR

Seit Frühjahr 2021 wird nun endlich „richtig gebaut“.

Gutes Gelingen an alle am Bau Beteiligten!